Abendspielplan

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80 Jahre Kriegsende

Manja

von Anna Gmeyner

Fünf Kinder, die unterschiedlicher nicht sein könnten, treffen am Vorabend der Barbarei aufeinander. Ungeachtet der politischen Zugehörigkeit ihrer Eltern, ihrer sozialen Herkunft und ihrer unterschiedlichen Temperamente schließen sie eine große Freundschaft. Doch ihr Kinderglaube zerbricht, so wie die Welt. 

 

Fünf Kinder, die unterschiedlicher nicht sein könnten, treffen am Vorabend der Barbarei aufeinander. Ungeachtet der politischen Zugehörigkeit ihrer Eltern, ihrer sozialen Herkunft und ihrer unter-schiedlichen Temperamente schließen sie eine große Freundschaft. Ihr Treffpunkt und ihr Zufluchtsort ist eine Mauer, ein kleiner Garten. Dort setzen sie gegen die Zeichen der Zeit ihre eigene Zeit – und für einen langen Moment scheint es, als könnte ihnen die Volksgemeinschaft nichts anhaben.

Doch die Verteidigung wird immer schwieriger, die Brüche werden nach und nach tiefer: Franz Meißner, der Sohn eines braunen Emporkömmlings, muss seine jüdische Freundin Manja vor dem Vater verschweigen. Der Kommunistensohn Karl Müller sollte in Franz den Feind sehen. Der schmächtige Harry Hartung muss nach dem Willen seines Vaters als '3/4 Arier' in der HJ reüssieren. Und Heini Heidemann erkennt, dass sein so kluger, humanistischer Vater keine Antworten mehr auf die zunehmende Verbreitung der braunen Ideologie hat. Nur die 'Ostjüdin' Manja scheint von alledem seltsam unberührt zu bleiben, sie ist die ruhende, zuversichtliche Mitte dieser Freundschaft. Dass dieser Eindruck täuscht – wir wissen es von Anbeginn an. 

Über vierzehn Jahre hinweg, von 1920 bis 1934 werden die Lebensgeschichten der Familien kunstvoll und klug miteinander verwoben. Die Kinder an der Mauer sind weit mehr als bloß die Stellvertreter ihre Eltern: Sie sind deren Spiegel, aber auch ihr Gegenbild, immanente Kritik zugleich. In ihrer Freundschaft versuchen sie bis zuletzt, das Besondere ihres individuellen Lebens zu bewahren und es dem Allgemeinen nicht unterzuordnen. Doch die Totalität, die ihr Leben mehr und mehr bestimmt, lässt schützende Mauern nicht mehr zu.

Die Kritik der Autorin trifft aber auch die Feinde des totalitären Systems. Im letzten großen Zwiegespräch zwischen dem Humanisten Heidemann und dem Widerstandskämpfer Müller beharren beide auf ihren Überzeugungen. Und vergeben damit die historische Chance, einander im entscheidenden Moment beizustehen gegen die Gefahr, die größer nicht sein konnte:

Heidemann: Man kämpft nicht nur mit der Faust, auch der Gedanke ist eine Waffe.
Müller: Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns. Lieber ein Lump, der uns hilft, als ein Heiliger, der zusieht.

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