Flaschenpost
von Martin W. G. Obermeier
Frau Kladik und Frau Dirlang sitzen fest. Denn im Amt für Flaschenpost kommt schon lang nichts mehr an. Der große Strom schwemmt nur noch Tand an. Briefe in Flaschen schreibt sich niemand mehr, seit es die „Maschin“ gibt und der „Strom“ nicht mehr den Fluss meint. Frau Kladik und Frau Dirlang erinnern sich wehmütig an die Zeit, in der sie noch Liebesbriefe weiterleiten durften.
Eine melancholische Komödie für 2 (ältere) Damen.
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Frau Kladik und Frau Dirlang sitzen fest. Denn im Amt für Flaschenpost kommt schon lang nichts mehr an. Der große Strom schwemmt nur noch Tand an. Briefe in Flaschen schreibt sich niemand mehr, seit es die „Maschin“ gibt und der „Strom“ nicht mehr den Fluss meint. Frau Kladik und Frau Dirlang verwalten den Bestand, den sie endlich einmal sortieren sollten. Aber wozu? Frau Kladik niest, Frau Dirlang säuft. Sie lesen die Liebesbriefe aus der Flasche, die von längst vergangener Leidenschaft erzählen, vielleicht sogar vom einen oder anderen Lustmord. Wer weiß das heute und wen interessiert es noch? Der Strom hat auch die wortreiche Liebe weggeschwemmt. Nur Frau Kladik und Frau Dirlang bleiben auf dem Posten. Und sollten sie ihn einmal verlassen, dann wenigstens gemeinsam.
Nicht etwa um bloße Technikfeindschaft geht es in diesem Text, Martin Obermeier schreibt vielmehr eine Hommage an ein Kulturgut, dessen vollständiger Verlust uns droht. Dänemark schafft ab dem kommenden Jahr die Briefpost ab, weitere Länder dürften folgen. Der haptische Brief aber – und mit ihm die Handschrift – erfordern eine andere Vermittlung von Form und Inhalt als die getippte E-Mail oder die Kurznachricht. Wenn heute mit Meinungen allerorten zu laut geklappert wird, so hört man dahinter eben auch das allzu schnelle Klackern der Anschläge auf der „Maschin“. Der Brief erfordert Bedacht. Das Papier, das von Hand zu Hand wandert, erinnert an den Handschlag, der Menschen miteinander verbindet. Gründe genug also, Frau Kladik und Frau Dirlang eine Weile zuzuhören.
